Die Weisheit der sehr alten, scheinbar verwirrten Menschen

Oft bemerken wir es nicht gleich.

Dieser Blog Artikel soll ein Mutmacher für Betroffene und deren Angehörige sein.

Doch nach und nach erleben wir an den uns nahen, sehr alten Menschen eine Veränderung.

Anfangs tun wir diese Veränderung noch mit den den Worten ab: „Es wird schon wieder“, oder: „Er hat halt mal einen schlechten Tag.“

Wenn aber das veränderte Verhalten des alten Menschen anhält und beginnt zuzunehmen, fühlen wir uns oft schon so überlastet, erschöpft, und hilflos, sodass wir nur noch mit Ablehnung und/oder Resignation diesem alten Menschen begegnen.

Die medizinische Diagnose lautet Demenz.

Doch wenn wir genau hinsehen, macht das Verhalten der alten verwirrten Menschen für diese sehr wohl einen Sinn.

Sie befinden sich in der letzten Phase ihres Lebens.

Ich war einkaufen und wollte gerade in mein Auto einsteigen, als ich auf eine Frau aufmerksam wurde, die die Beifahrertür ihres Autos aufriss und den alten Mann, der darin saß anbrüllte: „Hör auf mit der Klopferei! Du kannst nicht gegen die Autoscheibe klopfen! Hör doch auf!“
„Ich will ja nur helfen,“ schrie er zurück.
„Helfen! Es reicht mir! Benimm dich endlich wie ein normaler Mensch! Ich kann nicht mehr! Und jetzt reiß dich zusammen und warte hier. Ich bin gleich da.“ Die Frau schlägt die Autotüre wieder zu. Geht verärgert ins Geschäft.

Der alte Mann schaut durchs Fenster. Schaut und schaut – als ich mit meinem Auto ausparke, sehe ich wie er wieder beginnt zu klopfen. Und dieser alte Mann ist nicht krank – nein, er befindet sich zunehmend in seiner eigenen Welt.

Kannst du dir vorstellen, plötzlich nichts mehr zu tun zu haben? Plötzlich nicht mehr gebraucht zu werden? Alles lässt nach, dein Gedächtnis, deine Beweglichkeit? Die Menschen, die dich umgeben, bitten dich sitzen zu bleiben – einfach nichts zu tun. Aber das ist nicht das, was du willst. Du hast Bedürfnisse, Wünsche, Aufgaben. Ständig hörst du nur, dass du da aufpassen musst und vorsichtig sein sollst. Sie wollen dich ruhig stellen, weil es dann einfacher ist mit dir.

Deine Gefühle stauen sich auf, irgendwann müssen sie raus. Und das versteht dann keiner mehr, es geschieht einfach – und dann sagen sie, du bist nicht mehr bei Verstand. Du ziehst dich immer mehr in dein Inneres zurück, dein früheres Leben erwacht wieder. Die Bilder werden real…
Ich hätte diese Frau, die am Ende ihrer Kräfte zu sein schien, am liebsten in die Arme genommen und ihr von anderen Möglichkeiten, wie der Validation nach Naomi Feil, im Umgang mit, von Demenz betroffenen Menschen, erzählt.
Ich habe das große Privileg mit meinen Schwiegereltern, die beide an der sogenannten „Demenz“ leiden ZUSAMMEN und nicht gegeneinander zu leben. Unsere Welten lassen sich vereinen. Und das schafft wieder mehr Miteinander. Die Gefühle der Trauer, der Liebe, des Zorns und der Angst sind willkommen bei uns.

Wunder geschehen.